Unter den in diesem Ordner positionierten Texten dominierten lange Zeit jene zur Gesamtschule. Seit eine im Jahr 2007 neu ins Amt gekommene, in
diesem Fachgebiet unbedarfte Unterrichtsministerin den Plan verfolgte, die gegliederte Mittelstufe durch eine einheitliche „Neue Mittelschule“ (NMS) zu ersetzen und damit die achtjährigen
Maturaschulen abzuschaffen, habe ich dieses Vorhaben in einer Vielzahl von Texten argumentativ bekämpft. Nach Claudia Schmieds Rücktritt und einem Koalitionsabkommen zwischen SPÖ und ÖVP, in dem
das Reizwort „Gesamtschule“ nicht mehr vorkam, schien die unmittelbare Gefahr gebannt.
Aber teilweise hat die ÖVP auf Druck von Tirol (ÖVP-LH Platter) und Vorarlberg (ÖVP-LH Wallner) im Herbst 2015 dann doch nachgegeben, siehe
"Modellregionen" in "Ein Berg hat gekreißt ...". Unter den im Jänner 2017 groß angekündigten neuen Regierungsvorhaben kamen die "Modellregionen" aber nicht (mehr) vor. Allerdings haben sie dann
Ende Juni 2017 in das "Autonomiepaket", einer der letzten gesetzgeberischen Tätigkeiten der abtretenden rot-schwarzen Regierung, doch Einzug gehalten. Im Übrigen war das "Autonomiepaket" eine
Mogelpackung und hat vor allem hinsichtlich der Auflösung der Landesschulräte viel mehr Schaden als Nutzen angerichtet.
Seit Dezember 2017 gab es eine neue ÖVP-FPÖ-Bundesregierung. Das Regierungsprogramm zeigte im Bildungsbereich einen Paradigmenwechsel hin zu Leistung, Qualität und Effizienz an. Leider ist diese Reformpartnerschaft im Mai 2019 von der ÖVP aus fadenscheinigen Gründen aufgekündigt worden, was auch in der Bildungspolitik einen neuerlichen Stillstand bewirkt hat.
Verweis: Die in den Jahren 2015 und 2016 von mir zu Bildungsthemen geschriebenen und in der "Freien Meinung" (FM) veröffentlichten Texte befinden sich auch unter "Umfeld" im Ordner "FLV". Der dortige Ordner "Genius-Gesellschaft" enthält eine Übersicht über alle von mir in diesem Periodikum veröffentlichten Texte und insbesondere die hier zum Thema "Bildung" enthaltenen.
Die Statistik Austria erstellte 5/2024 eine Studie „Bildung in Zahlen 2022/23“, welche vom Momentum-Institut als „Bildung wird nach wie vor vererbt“ verschlagwortet wurde. Ein vernünftiger Mensch kann doch nur entgegnen: „Na hoffentlich!“
Als Eltern würden wir uns doch eines Erziehungsvergehens schuldig machen, wenn wir dies verabsäumten. Denn verschleiertes Faktum ist doch vielmehr, dass die Unbildung weitergegeben wird – und damit ist ausdrücklich nicht die Schule gemeint. Unbildung wird vererbt, wenn Kleinkinder mit Tablets statt mit Zuwendung beruhigt werden, wenn gemeinsame Mahlzeiten und Gespräche für unwichtig gehalten werden, Shoppingcenter statt Museen besucht werden, Fernseher aufs Zimmer kommen, statt öffentliche Büchereien oder Buchhandlungen zu frequentieren, wenn schulische Ergebnisse ignoriert statt diskutiert werden, wenn abfällige Bemerkungen über „Streber“ unkommentiert bleiben, Krankenstände „zelebriert“ werden und Leistung nur im Sport angehimmelt wird, wenn „getitokt“ statt „wikipädisiert“ wird usw.
Ich selbst stamme aus einem nach heutigen Begriffen "armutsgefährdeten" Elternhaus (Hausfrau, Postbeamter, 5 Kinder), in dem in den 1970er Jahren eine gute Ausbildung als Bringschuld von Eltern und Kindern (!) von höchster Priorität angesehen worden ist.
Unter diesem Titel berichtete die „Kronen-Zeitung“ am 16. Juni 2023 über österreichweite Demonstrationen für Reformen im Bildungsbereich und gegen Pläne des Unterrichtsministeriums, die Ausbildung von Freizeitpädagogen umzugestalten und deren Einsatzbereich auszuweiten. Inwieweit die Proteste Letzterer gegen diese Pläne gerechtfertigt sind, das vermag ich nicht zu beurteilen. Zur generellen Problematik, wie sie in der Überschrift zum Ausdruck kommt, gibt es aber eine aktuelle und in der FAZ veröffentlichte Wortmeldung des bundesdeutschen Philosophen Günter Seubold (* 1955) über seine in vier Monaten gesammelten Erfahrungen als Aushilfslehrer an einem Berliner Gymnasium.
Danach habe ihn Verständnis und Vorgehen der Schule zu deren eigentlichem Bildungsauftrag befremdet, sie scheine sich von diesem wegzubewegen und sich eher dem „Randständigen oder einem spezifisch politischen Programm, gar einer Ideologie zuzuwenden“. Als konkretes Beispiel nennt Seibold die Gendersprache. „Dass diese einen substanziellen Eingriff in die gewachsene Sprache darstellt und nicht nur gegen die offizielle Rechtschreibung verstößt, sondern demokratisch-liberale Prinzipien verletzt, das wird an der Schule gar nicht mehr diskutiert.“ Und anstelle einer Diskussion darüber, was von Kant im Unterricht gelesen und erörtert werden könne, sei auf einer Fachkonferenz nur noch hinterfragt worden, ob Kant am Gymnasium überhaupt noch gelesen werden dürfe.
Ohne diesen Bericht in vollem Umfang verallgemeinern zu wollen ist der hier geschilderte Sachverhalt tendentiell auch an österr. Schulen zu beobachten und belastet dort das "Schulklima", was nicht wenige Lehrer zur Flucht in die Frühpension verleitet. Ganz allgemein geht mir auch bei uns im politischen Diskurs zunehmend die ehemals vorhandenen Qualität ab, sowohl inhaltlich wie auch formal. Wer (wie ich) den Prinzipien der europäischen Aufklärung verpflichtet ist, der steht jedweder Form von Ideologisierung und Besserwisserei ablehnend gegenüber, der befürwortet von der Vernunft geleitete und möglichst einvernehmlich zustande kommende Problemlösungen. Eine Bildungsreform, welche auch dem "Schulklima" zugute käme und den Lehrermangel abmildern könnte, hätte sich daher vorrangig an diesen zeitlos gültigen Prinzipien zu orientieren.
PS: Eine umfassende Analyse zu diesem Thema enthält Teil 3 (ab Seite 3 unten) des unmittelbar folgenden Textes von mir, den ich den "Salzburger Nachrichten" habe zukommen lassen.